Chancen für eine neue Öffnung in den deutsch-polnischen Beziehungen. Politische Debatte im Kraszewski-Museum in Dresden
Rolf Nikel stellte im Dresdner Kraszewski-Museum sein Buch »Feinde, Fremde, Freunde« vor.
Chancen für eine neue Öffnung in den deutsch-polnischen Beziehungen. Politische Debatte im Kraszewski-Museum in Dresden
Am Donnerstagabend, den 1. Februar 2024, stellte Rolf Nikel, von 2014 bis 2020 deutscher Botschafter in Polen und derzeit Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, im Dresdner Kraszewski-Museum sein Buch "Feinde, Fremde, Freunde" vor. An der von Nikels Buch angestoßenen Debatte über die aktuellen deutsch-polnischen Beziehungen nahmen neben dem Autor auch die sächsische Europaministerin Katja Meier und Professor Krzysztof Ruchniewicz, Direktor des Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien an der Universität Wroclaw, teil.
Nora Miethke berichtete in der Sächsischen Zeitung ausführlich über die Debatte:
„Nach dem Regierungswechsel in Polen sind die Hoffnungen groß, dass die Eiszeit zwischen beiden Ländern zu Ende ist. Eine Diskussionsrunde in Dresden zeigte, es gibt viele gemeinsame Fragen zu lösen, vor allem in der Sicherheitspolitik.“ (…)
„Die Polen wissen über uns mehr als umgekehrt“, konstatierte Nikel im vollbesetzten Raum. Der Ukraine-Krieg und die Debatte um die Gaspipelines Nordstream I und II hätten zu einer Entfremdung und einem großen Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust geführt, „dessen Ausmaß viele in Deutschland noch nicht realisiert haben“, so der Diplomat im Ruhestand. Auch unter einer jetzt Deutschland-freundlicheren Regierung in Polen müssten viele Fragen mit unterschiedlichen Positionen etwa in der Migrationspolitik oder in der Energiepolitik diskutiert werden. Aber dafür sei das Klima jetzt heller als unter der PiS-Regierung. Laut Ruchniewicz wurden die deutsch-polnischen Beziehungen in seiner Heimat mit dem Begriff „erwachsene Nachbarschaft“ umschrieben. Was ihm in dieser Nachbarschaft bislang fehlt, ist, dass man konstruktive Kritik zulässt. „Wir sind wieder an einem Neuanfang. Jetzt kommt es darauf an, dass wir aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte lernen, damit die Nachbarschaft besser wird“, sagte der Historiker.
Eine grundlegende Lehre für Nikel ist, „dass wir uns sehr deutlich zu Wort melden müssen, wenn rechtsstaatliche Grundnormen der EU verletzt werden. Bei den grundlegenden Fragen darf es keinen Rabatt geben“, so der ehemalige Botschafter. Deutsche Politiker und Diplomaten hätten sich das „aufgrund unserer Geschichte nicht getraut“. Die Polen haben gezeigt, wie man eine rechtspopulistische Partei abwählt. Aber die PiS sei nicht weg und habe immer noch fast die Hälfte der Wählerinnen und Wähler hinter sich, hieß es. Deshalb komme es jetzt darauf an, sich schnell und ernsthaft um historische Fragen wie die Reparations- und Entschädigungszahlungen oder das geplante „Deutsch-Polnische Haus“, ein Denkmal in der Mitte Berlins zum Gedenken an die Opfer der deutschen Besatzung in Polen 1939-1945.
Katja Meier regte an, das „Weimarer Dreieck“, ein außenpolitisches Gesprächs- und Konsultationsforum zwischen Frankreich, Deutschland und Polen, wieder mit Leben zu füllen. In diesem Zusammenhang verriet die Europaministerin, dass der französische Präsident Emmanuel Macron einen „zweiten Anlauf“ unternehmen will, im Mai nach Sachsen zu kommen.
Nikel pflichtete Staatsministerin Meier bei und plädierte ebenfalls für eine Wiederbelebung des „Weimarer Dreicks“, um vor allem die europäischen Sicherheitsprobleme gemeinsam zu lösen. „Ich bin seit vierzig Jahren im Dienst des Auswärtigen Amts und haben noch nie so viele geopolitische Krisen wie jetzt erlebt“, betonte der Diplomat. Wenn Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine gewinnen würde, wäre das nicht nur eine große Gefahr für die Ukraine, sondern auch für Deutschland. „Wir sind nicht ausreichend darauf vorbereitet, die östliche Flanke zu stabilisieren“, so Nikel. Sollte zudem im November Donald Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten der USA gewählt werden, müssen sich die Mitglieder der Europäischen Union darauf einstellen, erheblich mehr in die eigene Verteidigung zu investieren. Da wäre eine engere Abstimmung zwischen Polen, Frankreich und Deutschland hilfreich. (…)
Einig waren sich alle, einschließlich des Publikums, dass die Chance des Neustarts genutzt werden müsste, um auch die direkten nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Sachsen und Niederschlesien zu fördern. Doch dazu seien bessere Verkehrsverbindungen notwendig, insbesondere auf der deutschen Seite. „Die Menschen müssen zueinanderkommen können, schon daran hapert es“, hieß es in der zweistündigen Diskussion.